The relationship between causal and moral judgments
Um moralisch und legal für etwas verantwortlich gehalten zu werden ist es notwendig, das eine kausale, d.h. ursächliche Verantwortung vorliegt. In Rechtsstreitigkeiten beispielsweise gilt der Grundsatz, dass ein Angeklagter nur dann für ein negatives Ergebnis zur Rechenschaft gezogen werden kann, wenn sein/ihr ursächlicher Beitrag "zweifelsfrei" nachgewiesen werden kann. Neuere Studien deuten darauf hin, dass die Beziehung zwischen kausalem und moralischem Denken nicht unidirektional ist. Es gibt Situationen, in denen die Beurteilung, ob etwas ursächlich ist, von bestehenden normativen Grundsätzen abhängt (d.h. davon, was allgemein als moralisch richtig oder falsch beurteilt wird, oder was zumindest einer bestehenden Norm entspricht).
Menschen scheinen Unterlassungen nur dann als ursächlich zu betrachten, wenn normative Regeln eine Handlung vorschreiben würden. Um dies zu veranschaulichen: Stellen Sie sich vor, Sie sehen jemanden in einem See ertrinken, beschließen aber nicht zu helfen oder dass Ihr Nachbar Sie bittet, ihre Blumen zu gießen, während sie im Urlaub ist, aber Sie vergessen, dies zu tun und ihre Blumen welken. Warum scheinen Auslassungen in diesen Fällen kausal zu sein, aber nicht in anderen? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns auf kontrafaktische Abhängigkeitstheorien stützen, die lediglich verlangen, dass die Wirkung kontrafaktisch von der Ursache abhängt. Aber im Falle von Auslassungen führt dies zu zwei unterschiedlichen Problemen, einem "Unterspezifikationsproblem" und einem "kausalen Auswahlproblem". Mit Bezug auf das “underspecification problem” muss man ursächliche Unterlassungen wählen, an deren Stelle man kontrafaktische, alternative Handlungen setzen kann, die zu einem unterschiedlichen Effekt führen würde.
In einer ersten Untersuchung (siehe auch die Publikation in der rechten Spalte) untersuchten wir, wie Menschen das Problem der Unterspezifikation lösen. Zusammen mit Tobias Gerstenberg (MIT) entwickelten wir ein “counterfactual simulation model of omissive causation”; dieses Modell geht davon aus, dass Menschen sich bei ihrer Einschätzung auf die physikalischen Eigenschaften in der Zielumgebung und die vermuteten physischen Fähigkeiten der handelnden Personen beschränken. Experimente, in denen wir unser neues Modell in physikalisch recht einfachen Umgebungen getestet haben, zeigten eine hohe Übereinstimmung zwischen Modellvorhersagen und kausalen Urteilen der Probanden.
Die Studienteilnehmer sahen kurze Animationen, in denen zwei Personen mit Murmeln spielten. Ein Spieler (Spieler B in der nebenstehenden Abbildung) sollte entweder eine Murmel durch ein Tor spielen oder das Tor verfehlen, und Spieler A sollte ihn/sie jeweils daran hindern. In der entscheidenden Testsituation sahen die Studienteilnehmer, wie Spieler A die Regeln verletzte, in dem er/sie darauf verzichtete, seine/ihre Murmel zu spielen. Anschließend wurden die Studienteilnehmer gefragt, wie sehr sie folgender Aussage zustimmen: “Murmel B hat das Tor verfehlt [oder, abhängig von der Kondition, das Tor getroffen], weil Spieler A seine/ihre Murmel nicht gespielt hat. Um die Einschätzung der Probanden vorherzusagen, simulierte unser Modell mehrere Murmelwürfe und berücksichtigte die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Wurf von Murmel A tatsächlich dazu geführt hätte, das Murmel B ihr jeweiliges Ziel erreicht hätte. Wir testeten verschiedene Szenarien, in denen wir sowohl die Eigenschaften des Spielfeldes als auch die Fähigkeiten des unterlassenden Spielers variierten, und konnten zeigen, dass die Kausalitätsurteile unserer Probanden entsprechend unterschiedlich ausfielen. Letztlich konnten wir auch mehrere alternative Erklärungsmöglichkeiten ausschließen.